Da sitzt er, dieser unverschämt lässige Beautyboy, überstrahlt das Schwarz mit seinem strahlenden Jude-Law-Lachen, das auch den straightesten Hetero-Typen an seiner Homophilie packt, und sagt: "Ich hatte Fieber letzte Nacht und gebe Ihnen nicht die Hand."
Und ich denke sofort: Machst du auf unberührbar? Hast du Angst, dass du mir den kleinen Finger reichst und ich dir mit meinen Fragen alle zehne breche?
Ich hatte das Händeschüttel-Thema schon vor einigen Jahren, als ich Anne Hathaway genau hier, im Hotel Regent am Gendarmenmarkt, interviewte, zwei Wochen, bevor sie den Oscar für "Les Misérables" bekam: ein bildschönes Bubikopf-Fräulein aus Hollywood. Damals sagte die PR-Frau gleich am Eingang: "No handshaking", und ich brauchte eine Weile, bis ich die doppelte Codierung dieses Imperativs knackte.
Einerseits war es schlicht Angst, dass diese wunderzarte Porzellan-Püppi unter einem Händedruck zerklirren könnte, sprich sich kurz vor den Oscars irgendein gemeines Berlinbakterium einfangen könnte und damit hustend in den Olymp der Filmgeschichte aufsteigen müsste. Andererseits errichtet diese Schranke aber nur der, der sich seiner Zugehörigkeit zu den Olympischen nicht sicher ist, der befürchten muss, durch den Kontakt mit den Normalsterblichen wieder zu diesen hinabgezogen zu werden, der berührbar bleibt durch Berührung. Im schlimmsten Fall hätte es passieren können, dass diese angehende Hollywood-Diva, die durch und durch etwas "Angehendes" hatte, den Oscar nicht bekäme, weil sie zu viele Hände von uns Gemein-Irdischen gedrückt hat.
Damals die Frage: Was hat die historische Welt der "Misérables" mit unserer Gegenwart zu tun? Ist es nicht so, dass dieses Victor-Hugo-Elend der heutigen Welt den Spiegel vorhält? Ja, bestätigte Anne Hathaway, sichtlich bemüht, etwas Tiefsinniges zum Riss der Welt zu liefern, der zwischen der Hollywood- und der profanen Welt verläuft. Genau an diesem Liefern-Wollen, am Performen der Antworten, scheiden sich Groß und Klein, Genie und Mittelmaß. Du spürst es an der Präsenz, die im Raum ist, und wenn du es nicht gleich spürst, spürst du es im nachhinein, Stunden oder Tage, nachdem du das Hotelzimmer verlassen hast. Und du weißt: Der Eine ist nur ein guter Schauspieler, aber der Andere ist ein Star. Es ist genau das, was man in diesen Begegnungen spürt: Auf welchem Grad zwischen Normalsterblichkeit und Göttlichkeit stehen diese Künstler, denen man hier wie in einer Audienz des Papstes begegnet?
Angelina Jolie zögerte keinen Moment, mir ihre Hand zu reichen. Und obwohl ihre Unterarme aus dem plissierten Hauch ihres Kleids wie ätherische Stäbe ragten, war ihr Händedruck der einer Frau, die die Welt an den Eiern packt. Und so geschah es: Ich habe Angelina Jolie berührt.
Diese Berührung glich jener, die Pilger am Grabmal des Hl. Antonius in Padua zelebrieren. In der Basilica di St. Antonio stehen die Menschen Schlange, um die glänzende, von Abertausenden von Händen polierte Stelle zu berühren und das Gebet zu sprechen, mit dem sie den Hl. Antonius um Beistand bitten. Die Magie dieses Moments, dieser Zeremonie kann vielleicht nur verstehen, wer katholisch erzogen worden ist oder an die gute Seite der MACHT der Jedi-Ritter glaubt.
In jedem Falle: Als Angelina Jolie ihren ersten selbstgeschriebenen Film "In the Land of Blood and Honey" vorstellte, dieses hochpolitische Kriegsmelodram, war es, als sei sie als Heilige zu den Normalsterblichen herabgestiegen, um sich berühren zu lassen, sich ihrem Streit zu stellen. Sie setzte das Zeichen, dass jene imaginäre Hollywoodexistenz, die für uns normalerweise nicht zu verifizieren ist, aus Fleisch und Blut ist, also nicht nur PR, sondern reales Vor-Bild für den Kampf um das Bessere in der Welt.
Es gibt keine Gewissheit, dass das Gute siegen wird oder als Gutgemeintes nicht sogar in sein fatales Gegenteil umschlägt. Aber wer es gleich bleiben lässt, wird die Welt nie verändern. Genau um diese Vision geht es hier in diesem Blog. Weshalb sie, die Hl. Angelina, seine Schutzheilige ist.