"Sind Muslime die neuen Juden?" - Eine orientalische Liebesgeschichte in Kanaan Berlin

So kennt man ihn, provokative Brücken schlagend: Armin Langer, den Mitbegründer der "Salaam-Shalom"-Initiative, die ich seit zwei Jahren auch unterstütze. Armin Langer hat das Buch "Ein Jude in Neukölln" veröffentlicht, das von seinem Kampf gegen Vorurteile und Rassismus in seinem Kiez erzählt, und stellt darin tatsächlich die Frage: "Sind Muslime die neuen Juden?" In meiner Gesprächsreihe "Don't Forget, Dance" hat er es in der "janinebeangallery" vorgestellt und seine Thesen mit dem israelischen Dichter Mati Shemoelof und dem syrischen Musiker Hassan Abdul Fadl diskutiert. Dabei kam es auch zu einem ganz wunderbaren musikalischen Brückenschlag, als Hassan Abdul Fadl zusammen mit seinem israelischen Musikerfreund Gidi Farhi vom "Berlin Oriental Ensemble" Musik machte. Alles orientalischer Friede Freude Eierkuchen? Wäre da nicht die provozierende Frage von Armin Langer im Raum gestanden... Muslime als die neuen Juden: Was gab es bei meinem Facebook-Post am 25.11. darauf gleich für erregte Kommentare! 

Rückblick zum Verständnis: Vor einem Jahr habe ich den Besuch einer "Salaam-Shalom"-Gruppe (darunter auch Armin Langer) am Neuköllner Ernst-Abbe-Gymnasium mit ins Leben gerufen und darüber für RBB-"Stilbruch" berichtet - unter folgendem Link kann man den Beitrag anschauen: http://www.rbb-online.de/stilbruch/archiv/20151210_2215/initiative-shalom-salaam-berlin-neukoelln.html. Damals stellte sich heraus, dass viele muslimische Schüler des Gymnasiums sich tatsächlich in einer historischen Wiederholungsschleife fühlen, d.h. auf ähnliche Weise diskriminiert, wie sie es über die jüdischen Deutschen in den 20er und 30er Jahren gehört haben. Die Schülerin Amnira Quandoul sagte:

"Ich laufe manchmal durch die Straße, und kleine Kinder - das ist mir wirklich passiert - stehen vor mir und sagen: 'Hast du eine Bombe unter deinem Gewand?' Ich stehe da und weiß nicht, was ich sagen soll, weil ich sehe, dass sich die Geschichte wiederholt. Und ich kann nichts dagegen machen. Aber diese Initiative zeigt, es ist ein Anfang. Und wir fangen langsam an, gegen diesen Islamhass und gegen Antisemitismus anzugehen."

Natürlich lässt sich endlos darüber streiten, ob man Antisemitismus und Antiislamismus als strukturähnlich ansehen darf oder ob der Holocaust das nicht verbietet. Was Armin Langer und die "Salaam-Shalom"-Initiative aber aufzeigen, ist, dass Neukölln keine "No Go Area für Juden" ist, wie das in den Medien kolportiert wurde, sondern dass es ein problemloses Mit- und Nebeneinander von Arabern und Juden, Muslimen und Szeneberlinern, Israelis und Herkunftsdeutschen gibt, die sich offen einander gegenüber stehen. Oder wie Dina Nourej von "Salaam-Shalom" er formulierte: 

"Es gibt gerne die Angst machenden Nachrichten. Ich sage nicht, dass hier nichts Schlimmes passiert, wie vielleicht auch in anderen Vierteln. Aber ich fühle mich hier immer sehr willkommen. Wenn ich in einen Laden reinlaufe, werde ich herzlich begrüßt. Und mich fragt keiner, trägst du einen Davidstern oder hast du irgendwo einen Mond tätowiert. Es ist egal."

(c) Sandra Höhne

(c) Sandra Höhne

Dieser orientalischen Liebesgeschichte in Berlin wollte ich mit einem Gesprächs- und Musikabend noch einmal nachgehen. Durch viele Israelis und Syrer, die in den letzten Jahren in die Stadt gezogen sind, ist das multikulturelle Klima in Berlin noch einmal vielfältiger worden. Juden und Araber leben Seite und Seite, essen in den gleichen Hummus-Imbissen, machen sogar zusammen Musik. Alles nur eine Illusion? Oder kommen Araber und Juden tatsächlich nirgendwo so gut miteinander klar wie in Berlin?

Mein Freund Mati Shemoelof las zwei Gedichte zum Thema und bestätigte, dass er die Gemeinsamkeiten hier viel komplexer findet, als es die Medien abbilden: "Die Medien denken in Kategorien. Für mich ist es ein Gnade, hierher zu kommen und Menschen zu treffen, die aus Syrien, Jordanien, Gaza stammen. Ich lebte in Israel und konnte in Tel Aviv keine Menschen aus Jordanien treffen, ich musste dorthin fahren. Für mich ist es ein großes Wunder, ohne die Mauer zu leben, die Israel und Palästina trennt."

Gidi Farhi und Hassan Abul Fadl, die sich vor sieben Jahren über ein Benefizkonzert für Gaza kennengelernt haben, betonten beide, dass sie nirgendwo sonst auf der Welt miteinander Musik machen könnten. Hassan Abul Fadl: "Es ist die Möglichkeit, ein offenes Leben zu haben. Ich kenne ihn und lebe, wie ich möchte. Das ist meine Entscheidung. Hier bietet uns Berlin viele Gelegenheiten. Das ist für beide Seiten gut. Es dauert noch ein paar Jahre mit dem Nachwuchs von uns. Den wir adoptieren oder weiter produzieren."

Zum Schluss noch einmal die Frage an Armin Langer, den Philosophen, Theologen und Provokateur: Es ist also wirklich eine orientalische Liebesgeschichte, die sich hier abspielt - vielleicht kein Paradies, aber -? 

Armin Langer: "Es ist kein Paradies, es ist ein Kanaan - ein kleines Kanaan. Ich benutze absichtlich dieses Wort, denn es gibt nämlich in Berlin einen Hummus-Laden, betrieben von einem Israeli und einem Palästinenser, und der Name des Ladens ist Kanaan."

Na denn: Don't Forget, Give PEAS a Chance: Eat Hummus and DANCE!

(Der Abend fand am 25.11.2016 in der "janinebeangallery", Torstraße 154, Berlin-Mitte statt.)